Die Seilbahnbranche braucht Nachwuchs und jedes Seilbahnunternehmen kann dazu beitragen, Fachkräfte für die Zukunft zu gewinnen. Wie die Monte Tamaro SA, die zum ersten Mal einen Lernenden ausgebildet. Im Interview erzählt Direktor Nicola Cattaneo, wieso eine Lehrstelle geschaffen wurde und wie das Team diese Aufgabe meistert.
Seilbahnen Schweiz: Seit 2020 bilden Sie am Monte Tamaro zum ersten Mal einen Seilbahnmechatroniker EFZ aus, welche Erfahrungen haben Sie in dieser Zeit gemacht?
Nicola Cattaneo: Es war eine positive Erfahrung für unser Unternehmen und für die Mitarbeitenden. Die Ausbildung eines Lernenden ermöglicht es, bestimmte Prozesse zu hinterfragen und potenziell zu verbessern, schafft Neues, eine neue Dynamik und Interesse für die Gruppe der Beschäftigten.
Was hat Sie dazu bewogen, eine Lehrstelle zu schaffen?
Eigentlich haben wir nicht aktiv nach einem Auszubildenden gesucht. Es war derselbe junge Mann, den wir derzeit ausbilden, der von der Ausbildung wusste und uns fragte, ob wir Interesse daran hätten, ihn auszubilden. Nach einem Praktikum und der Feststellung, dass er tatsächlich eine klare Leidenschaft und ein grosses Interesse an diesem Bereich hat, haben wir zugestimmt, ihn auszubilden.
Welche Schritte haben Sie unternommen, damit das Unternehmen die Voraussetzungen für einen Lehrbetrieb erfüllen konnte?
Da ich erst vor relativ kurzer Zeit (2013) die Ausbildung zum technischen Leiter absolviert hatte, war ich zum Glück bereits als Ausbilder von Lernenden qualifiziert. Das erforderliche zusätzliche Engagement war also überschaubar. Wir meldeten uns daher bei der Abteilung für Berufsbildung des Kantons Tessin an, um als Ausbildungsbetrieb anerkannt zu werden. Nachdem wir überprüft hatten, ob die Kriterien erfüllt waren, erhielten wir schnell die Genehmigung und konnten unseren Jugendlichen im Ausbildungszentrum in Meiringen anmelden.
Wie ging das Team mit der Situation um, dass ein Jugendlicher im Betrieb ausgebildet wurde? Wie wurde die Betreuung des Lernenden gestaltet?
Unsere Mitarbeitenden reagierten sehr positiv auf die Einstellung des Auszubildenden, was zum Teil daran lag, dass viele von ihnen jung sind, während die älteren Mitarbeitenden Söhne in einem ähnlichen Alter haben und daher wissen, wie man mit einem jungen Menschen umgeht. Darüber hinaus ist unser Auszubildender unkompliziert und kontaktfreudig, was seine vollständige Integration in unser Team erleichtert hat.
Unsere Mitarbeitenden wurden über die Herausforderungen eines Auszubildenden informiert und alle haben auf die eine oder andere Weise einen Teil der Ausbildung übernommen, da wir in einem Team arbeiten und jede:r ein bisschen von allem macht. Der Jugendliche musste also ein wenig neben allen anderen arbeiten. Ich für meinen Teil muss als Ausbilder neben den anderen Mitarbeitenden lediglich sicherstellen, dass seine Ausbildung vollständig ist, auf die Einhaltung der Regeln achten und die Qualität seiner Ausbildung und seiner Arbeit überwachen.
Einen Lernenden auszubilden ist zwar mit Aufwand verbunden, doch sie sind die Zukunft der Branche und Lernende auszubilden ist Ehrensache. Haben Sie in den letzten drei Jahren auch positive Effekte für das Engagement wahrgenommen?
Ja, natürlich. Die Ausbildung eines Lernenden, insbesondere in einem Beruf, in dem sie noch relativ neu ist, wird als Prestige wahrgenommen und suggeriert, dass das Unternehmen gut organisiert und strukturiert ist. Einen Lernenden auszubilden, erfüllt uns mit Stolz.
Bei ihrem Lernenden handelt es sich um den dritten Lernenden, der im Tessin ausgebildet wird. Im August haben drei weitere Personen die Lehre zum:r Seilbahnmechatroniker:in in der Region gestartet und mit der Nachwuchsförderungskampagne, welche derzeit in Planung ist, werden bald mehr Seilbahnunternehmen Lernende ausbilden. Welche Tipps haben Sie für die neuen oder künftigen Ausbildungsbetriebe?
Man darf nicht glauben, dass die Ausbildung eines Lernenden zu kompliziert oder anspruchsvoll ist und dass man dafür nichts oder kaum etwas zurückbekommt. Es stimmt, dass es etwas mehr administrativen Aufwand erfordert, aber wenn man erst einmal verstanden hat, wie es funktioniert und wie es etabliert ist, ist es sehr einfach. Wenn der/die Auszubildende gut ist und sich für den Beruf interessiert, kann er/sie in kurzer Zeit einen Mehrwert für das Unternehmen schaffen, sowohl in praktischer als auch in sozialer Hinsicht. Ausserdem ist es eine klare Unterstützung für unsere Branche, die mit einem Mangel an Fachkräften zu kämpfen hat. Es ist unwahrscheinlich, dass ein junger Mensch, der in einem so speziellen Bereich ausgebildet wurde - wahrscheinlich aus reinem Interesse an den Anlagen - diese Branche verlässt und sich in anderen Bereichen umsieht. Es handelt sich also um eine Sicherheit für die Zukunft.
Ihr Lernender befindet sich nun im 4. Lehrjahr und schliesst seine Lehre im Sommer 2024 ab. Gibt es bereits Pläne, wann Sie den nächsten Lernenden ausbilden?
Ja, wir haben bereits die Einstellung des nächsten Auszubildenden bestätigt, der den neuen, im Tessin geplanten Ausbildungsweg in Zusammenarbeit mit dem Ausbildungszentrum in Bodio (Campus Formativo Bodio CFB) durchlaufen und im zweiten Lehrjahr (das erste Jahr wird im CFB absolviert) in das Unternehmen eintreten wird.
Übrigens nimmt unser:e Lernende:r im Winter, wenn wir geschlossen sind und in den Monaten, in denen wir keine Wartungsarbeiten durchführen, während vier bis sechs Wochen an Zusatzausbildungen in anderen Skigebieten teil. So wird er/sie in den Tätigkeiten, die wir nicht anbieten, praktisch ausgebildet; insbesondere für den Winterdienst, aber auch für die harte Ausbildung an Seilbahntypen, die wir nicht besitzen. Bisher fand die Zusatzausbildung in Splügen (GR) im ersten Jahr, in San Salvatore (TI) im zweiten Jahr und Zermatt (VS) im dritten Jahr statt. Für den/die Lernende/n ist dies eine ausgezeichnete Möglichkeit, andere Seilbahnen und Betriebe kennenzulernen.