Mit der weltweit ersten Cabrio-Bahn, mit dem Ranger-Konzept und dem Anspruch, die freundlichste Bergbahn in der Schweiz zu sein, hat Jürg Balsiger viele nationale Preise gewonnen und die Bergbahnen Schweiz in vielen Gremien und Jurys vertreten. Er hat für andere Bergbahnunternehmen wichtige Impulse und Innovationen geliefert. Dafür danken wir ihm sehr und gratulieren ihm zu seinem erfolgreichen Lebenswerk als Seilbahndirektor.
Jürg, Du hast nach 26 Jahren Ende November die Verantwortung als Direktor der CabriO Stanserhorn-Bahn abgelegt und in neue Hände übergeben. 26 Jahre ist eine sehr lange Zeit. Welches waren für dich die grössten positiven Veränderungen als Direktor einer Bergbahn?
Mich freut, dass es den Schweizer Seilbahnen gelungen ist, die Berufsbildung selbst in die Hände zu nehmen. Mit den drei Stufen, Seilbahner:in EBA, Seilbahn-Mechatroniker:in und Seilbahnfachmann / -frau ist ein unentbehrliches Fundament für unseren Nachwuchs geschaffen worden. Daneben gibt’s Dutzende Aus- und Weiterbildungen. Heute ist es normal, dass diese Lehren existieren. Die damaligen Protagonisten haben einen riesengrossen Meilenstein für unsere Branche geschafften. Bestens bedanke ich mich bei allen, die sich hier für uns alle erfolgreich engagiert haben.
Du konntest von Dir behaupten, die freundlichste Bergbahn der Schweiz zu führen, und hast dazu viele Vorträge und Lehrveranstaltungen durchgeführt. Was denkst Du, wie hat sich die Freundlichkeit bei den Bergbahnen in der Schweiz entwickelt?
Es ist ja so ein «Ding», mit der Freundlichkeit. Man muss sie jeden Tag aufs Neue schaffen. Daher kann man das Ziel «freundlichste Bergbahn» wohl auch nie erreichen, weil das Ziel stets vor einem steht. Das Thema hat in den letzten Jahren überall an Bedeutung gewonnen, das freut mich sehr. Wir an der Front sind alle sind eine Visitenkarte für das Reiseland Schweiz. Das Thema bleibt für alle aktuell.
Welches sind die schönsten Erlebnisse oder Feedbacks, die Du persönlich zur Freundlichkeit bei der CabriO Stanserhorn-Bahn erhalten hast?
Ein begeisterter Gast hat mir mal die Frage ausrichten lassen, welche Pillen wir unseren Mitarbeitenden verabreichen würden. Es seien ausnahmslos alle sehr freundlich.
Mehrere Gästebegleiter sind zu uns als Mitarbeitende gekommen, weil sie als Gäste so begeistert vom Spirit auf dem Berg und unter den Mitarbeitenden waren, so dass sie im Gespräch mit Gästebegleitern sich spontan dazu entschieden, sich zu bewerben. MMMM – man muss Menschen mögen, das ist das einfache Rezept.
Du hast Freundlichkeit gelebt, und dadurch auch die Unternehmenskultur verändert. Wie würdest Du heute die Unternehmenskultur der CabriO Stanserhorn-Bahn beschreiben?
Die Kultur wird von einem Spirit der Begeisterung getragen. Viele Mitarbeitende sind schon am frühen Morgen bei Dienstantritt voll gut drauf. Zum Beispiel erzählt der Koch Heiri Walker oftmals schon einen seiner legendären Witze. Da strahlt das Team schon und geht den Tag beschwingt an. Ein Berg – ein Team. Das beschreibt auch die Zusammenarbeit unter den drei Bereichen Shop, Restaurant und Bahn.
Welches waren die entscheidenden Momente oder Massnahmen, dank denen Du die Unternehmenskultur verändern konntest?
Wie gesagt, es braucht willige und strahlende Menschen im Team. Daher brauchte dieser Kulturwandel Zeit. Zum Teil wurde dieser Wandel durch natürliche Fluktuationen erleichtert. Es ist auch mit Rückschlägen zu rechnen, die einen nicht entmutigen sollten.
Unseren Mitarbeitenden geben wir zwei wichtige Tools mit:
Positive Sprache
Ansteckende Freundlichkeit
In einem Schulungsfilm haben wir diese «Geheimnisse» festgehalten, er ist unter dem Titel «Die Sendung mit dem Ranger» auf YouTube zu sehen.
Aus deinen 26 Jahren an der Spitze: gibt es «die» wichtigste Management-Aufgabe?
Ja, die gibt es: Es ist die «Einstellungsfrage». Nämlich im Sinn von «wen stelle ich ein». Es braucht an der Front im Tourismus Menschen mit dem guten Menschenbild, hilfsbereit, konstruktiv und sehr freundlich.
Mit der CabriO-Bahn hast Du einen Durchbruch erzielt, und ein weltweit neues Bergbahnerlebnis geschaffen. Wer ist auf diese Idee gekommen?
Die Idee ist bei einem Abendessen mit meinem Freund, dem Seilbahningenieur Reto Canale entstanden. Wir waren im Jahr 2004 mit unseren je zwei Töchtern zum Abendessen verabredet. Und wir zwei grosse Buben haben dann über Seilbahnen gesprochen, und mit welchem Bahntyp die windanfällige Pendelbahn von 1975 ersetzt werden sollte. Die Idee ist ein «Lucky Punch». Es waren so viele Hindernisse zu überwinden, dass ich beim Rückblick sehr staune, dass die Bahn alle Hürden geschafft hat. Das war ein einmaliges Erlebnis für einen Bergbähnler.
Und wie hat der Bergbahnhersteller reagiert, als Du ihn zum ersten Mal mit dieser Idee konfrontiert hast?
Zum Glück kannte Reto Canale den damals taufrischen Garaventa CEO Istvan Szalai aus ETH-Zeiten gut. Dank diesem direkten und von gegenseitigem Vertrauen bestehenden Kanal konnten Reto Canale und ich anlässlich der SBS-GV-Tagung in Pontresina im Jahr 2008 mit Istvan Szalai zusammenkommen. In einem separaten Raum haben wir Istvan in unsere geheime Bahn-Idee mit der CabriO Bahn eingeweiht. Ohne dass «sich gut kennen» von Reto Canale und Istvan Szalai wäre die CabriO Idee kaum zum Fliegen gekommen. Istvan Szalai und der Garaventa gehört ein riesengrosser Dank, dass sie diese neue Idee aufnahmen und nicht gleich abblockten.
Diese Entstehungsgeschichte der Idee und die Projektentwicklung hat nur viel mehr Facetten, sie ist derart interessant, dass der Seilbahn-Historiker Christoph Berger ein Buch darüber publiziert hat. ISBN 978-906997-96-4.
Beispielsweise ist die realisierte Seilführung die 17. Variante, welche untersucht wurde (offiziell Variante 6b).
Du bist mit 34 Jahren zum Direktor der CabriO Stanserhorn-Bahn ernannt worden. Welche 3 Tipps würdest Du heute einem jungen 34-jährigen Bergbahndirektor auf den Weg geben?
Ein 34-jähriger Bahndirektor ist nicht auf die Tipps eines älteren Branchenkollegen angewiesen. Er hat selbst Ideen und ein inneres brennendes Feuer. Er soll loslegen! Oder wie Du Berno als Walliser sagen würdest: «Gimmu!». Jedoch kann ich versichern: einmal Bergbähnler – immer Bergbähnler. Diese Aufgabe ist derart vielfältig und positiv konnotiert, dass es wahrlich ein Berufsglück ist, wenn einer Bergbähnler werden darf. Ich hab es genossen!!!!!
Du trittst mit 60 Jahren relativ jung von der operativen Bühne ab. Welches sind Deine persönlichen Projekte für die Zukunft?
Zuerst mal ganz runter fahren. Meine Frau und ich gehen das erste halbe Jahr immer wieder auf Reisen. Vor zwei Jahren hatte ich ein Burnout erlitten. Danach einfach so tun, als sei nichts gewesen, wäre ein schlechter Plan. Zum Glück kann ich meinen Pace nun runter fahren. Bestimmt wird mich das eine oder andere Thema packen, wo ich mein Wissen und die Expertise einbringen werde. Im Moment sage ich jedoch alles ab. Zuerst will ich ohne «Rucksäcklein» unterwegs sein, um dann zu sehen, was ist und kommt.
Jürg, wir wünschen Dir alles Beste für die Zukunft, gute Gesundheit und viel persönliche Erfüllung in Deinem Tun und Sein.