Den Mitgliedern von SBS steht seit Anfang 2024 die online Plattform Rechtsprechung zur Verfügung. Dort sind ausgewählte, für die Bergbahnbranche relevante Entscheide in kurzer und verständlicher Form aufgeführt. Darunter ist auch ein Entscheid des Regionalgerichts Maloja bezüglich eines Freerideunfalls zu finden, der für den winterlichen Alltag der Seilbahnunternehmen besonders wichtig ist.
Seit Anfang Jahr sind auf der Plattform Rechtsprechung von Seilbahnen Schweiz über 50 ausgewählte Entscheide von verschiedenen Behörden aus der ganzen Schweiz zu finden, die in den letzten dreissig Jahren gefällt wurden. Diese sind in den Bereichen Sicherheit, Technik und Unternehmensführung aufgeteilt. Besonders hilfreich ist deren Klassifizierung in bestimmten Kategorien wie zum Beispiel Lawine, Pistenrand, Sommeraktivitäten und Raumplanung. Die meisten Entscheide betreffen Sachverhalte in Zusammenhang mit der Verkehrssicherungspflicht aus den Kantonen Graubünden und Wallis.
Das Ziel der Plattform ist es, in kurzer und verständlicher Form die konstante Entwicklung der Rechtsprechung abzubilden. Es geht um Entscheide, die für die Branche eine besondere Bedeutung aufweisen und für die Zukunft eine wichtige Rolle spielen könnten. Dabei handelt es sich nicht nur um Entscheide des Bundesgerichts, die online verlinkt und referenziert sind, sondern auch um Verfahren der Staatsanwaltschaften oder kantonaler Gerichte. Einer davon wurde im Jahre 2022 vom Regionalgericht Maloja gefällt.
Sachverhalt des Freerideunfalls auf dem Corvatsch
Ein Bergführer war am 25. Januar 2019 morgens mit sieben Gästen im Corvatschgebiet unterwegs. Geplant war die Abfahrt ins Tal Roseg. Die Gruppe startete bei der Bergstation Corvatsch, fuhr vorerst auf der markierten Piste, die vom übrigen Gelände mit einem Wimpelseil getrennt war. Der Bergführer hielt bei der Abzweigung zur Variantenabfahrt ins Val Roseg und gab den Gästen die entsprechenden Instruktionen, bevor er als erster in einen 30 bis 35 Grad steilen Hang startete. Unmittelbar folgte ihm ein Gast, der aber stürzte und etwa 40 Meter lang den ruppigen und harten Hang hinunterrutschte.
Im Bereich des Hangfusses war eine Arbeitsstelle des Seilbahnunternehmens, bei welcher mittels Pistenmaschinen Schnee zu einem Schneedepot verschoben wurde. Es bestand eine Schneemauer, die 4.20 Meter hoch war. Der Gast stürzte über diese Mauer auf den Werkplatz und erlitt multiple Frakturen und Verletzungen, ohne dass sein Leben in Gefahr war.
Anklage und Verfahren am Regionalgericht
Es wurde Anklage für fahrlässige Körperverletzung gegen den Pisten- und Rettungsdienstchef erhoben, dies mit der Begründung, dass es für ihn erkennbar gewesen wäre, dass Skifahrer, welche die signalisierte Piste oberhalb des Werkplatzes verlassen, bei einem Sturz Gefahr laufen würden, über die Mauer zu stürzen. Die Staatsanwaltschaft warf ihm vor, weder an der Stelle, wo die Variantenspur von der Piste wegführte, noch irgendwo sonst, auf die künstlich geschaffene Gefahrenstelle mittels Signalisation oder Absperrung aufmerksam gemacht zu haben.
Der Angeklagte wurde vom Regionalgericht Maloja freigesprochen. Das Gericht hielt fest, dass der Pisten- und Rettungsdienstchef eine Garantenstellung bezüglich Signalisation, Markierung und Sicherung des Sportgeländes habe, jedoch diese nicht das freie Gelände betreffen würde.
Im freien Gelände stehe es jedem Gast frei, dort zu fahren, wo er es in Anbetracht seiner winterlichen Alpinerfahrungen verantworten zu können glaube. Wenn ein Gast aber Leistungen aus der Verkehrssicherungspflicht beanspruchen wolle, müsse er sich an die markierten Abfahrten halten.
Die SKUS- und SBS-Richtlinien seien eingehalten worden, der Unfall und deren Folgen seien nicht im Verantwortungsbereich des Seilbahnunternehmen bzw. seines Personals.
Zur Relevanz des Entscheides
Vorliegender Entscheid ist besonders wichtig für die Branche, da das Gericht den Grundsatz der Verkehrssicherungspflicht ausschliesslich auf markierten Pisten bestätigt bzw. dessen Inhalt eingehend definiert hat. Mit anderen Worten: Ausserhalb von markierten Pisten hat der Gast mit Gefahren zu rechnen, unabhängig davon, ob diese künstlich (Schneemauer infolge Arbeiten mit Pistenmaschine) oder natürlich (Felsband) sind. Hier trägt der Gast allein die Verantwortung.
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