Das Bundesgericht hat mit dem Entscheid vom 1. Mai 2023 die Beschwerden gegen das Bauprojekt gutgeheissen. Damit hebt es die bisherigen Entscheide des Bundesverwaltungsgerichts auf und gibt den Beschwerdeführenden Recht. Was bedeutet dieser Entscheid für das Unternehmen, welche Konsequenzen hat es für die Branche, die Planungssicherheit und die Zusammenarbeit mit den Behörden?
Die Engadin St. Moritz Mountain AG beabsichtigt, die 50 Jahre alte Pendelbahn von St. Moritz Bad nach Signal durch eine Umlaufbahn zu ersetzen. Das Bundesamt für Verkehr (BAV) erteilte dazu 2018 die Konzession und verabschiedete das Plangenehmigungsgesuch für den Bau einer 10er-Gondelbahn. Diverse Beschwerden, die gegen das Projekt eingereicht wurden und welche das Bundesverwaltungsgericht (BVG) noch abgewiesen hatte, hat nun die letzte Instanz, das Bundesgericht (BG) gutgeheissen. Damit ist das Projekt – vorerst sistiert (blockiert).
Welche Punkte kritisiert das Bundesgericht?
Das BG geht mit den Beschwerdeführenden einig, dass alternative Seilbahnsysteme nur ungenügend geprüft worden sind. Es kommt zum Schluss, dass das aktuelle Projekt aufgrund der faktisch fehlenden Interessenabwägung mit seinen unzähligen Ausnahmebewilligungen insbesondere gegen das Waldgesetz und das Umweltschutzgesetz verstosse. Ausnahmebewilligungen könnten nur dann erteilt werden, wenn die Anlage standortgebunden sei und im öffentlichen Interesse liege. Hierzu haben gemäss BG Engadin St. Moritz Mountains AG und das BAV mangels hinreichender Prüfung alternativer Seilbahnsysteme nicht genügend stichhaltige Argumente liefern können. Auch in Bezug auf die behindertengerechte Bauweise kritisierten die Beschwerdeführer die unzureichenden Unterlagen. Weiter moniert das BG, dass für den Bau der geplanten 10er-Umlaufkabinenbahn schützenswerter Wald gerodet werden müsste, und dass damit der Eingriff in den Wald erheblich grösser sei als bei der bisherigen Pendelbahn.
Wie interpretiert Seilbahnen Schweiz dieses Urteil?
Seilbahnen Schweiz (SBS) hat umgehend nach dem Urteil des BG eine juristische Überprüfung bezüglich der Auswirkungen des Urteils in Auftrag gegeben. Ein besonderes Augenmerk legte der Verband darauf, inwiefern dieses Urteil für die gesamte Branche massgebende Auswirkungen habe.
Folgende Erkenntnisse ergab die Überprüfung:
Es sei nicht davon auszugehen, dass der vorliegende Entscheid einschneidende Konsequenzen punkto Verfahren haben wird.
Am Aufbau und Ablauf des Plangenehmigungsverfahrens dürfte sich grundsätzlich nichts ändern.
Jedoch wird künftig bei Ersatzbauten von Pendelbahnen ein stärkeres Augenmerk auf mögliche Alternativen (nebst Gondelbahnen) zu legen sein.
Zudem habe das BG den Schutz des Waldes implizit über den Landschaftsschutz gestellt, was faktisch einer Abkehr der bisherigen Linie gleichkomme.
Auch der Gewässerschutz werde, genauso wie die Nachbarsinteressen hoch gewichtet, was eine stärkere Prüfung der Standortgebundenheit zur Folge habe.
Folgende Punkte werden wohl bei künftigen Planungsprojekten stärker gewichtet:
Umfassende Interessenabwägung und Begründung der Standortgebundenheit
Vertiefte Variantenprüfung von unterschiedlichen Seilbahnsystemen
Nachweis der Behindertengerechtigkeit
Stärkerer Einbezug der Interessenvertretungen im Frühstadium eines Vorhabens
Was sind die nächsten Schritte?
SBS, das BAV und die Industrie tauschen sich regelmässig im so genannten «Management Board» auf Geschäftsleitungsstufe zu Verfahrensfragen aus. Dieses hat umgehend eine Arbeitsgruppe «Auswirkungen BGE Signalbahn» ins Leben gerufen, bei der die involvierten Bundesämter (BAV, Bundesamt für Raumentwicklung ARE, Bundesamt für Umwelt BAFU), die Hersteller und ausgewählte Branchenexperten vertreten sein werden. Geführt wird diese Arbeitsgruppe durch das BAV. Die Arbeiten starteten im August. Ziel ist es, möglichst rasch Klarheit über die Auswirkungen des BG-Entscheides für zukünftige Projekte zu schaffen.