
Die BFU-Kampagne «Sicher Bergwandern» setzt auf Prävention statt Bergdrama. Susanne Baumann, Beraterin Sport und Bewegung, zeigt auf, wie Seilbahnunternehmen aktiv zur Unfallverhütung beitragen – und warum ihre Rolle im Sommer immer wichtiger wird.
SBS: Hand aufs Herz: Wie oft waren Sie im letzten Sommer in den Bergen und wie haben Sie sich auf die aktuelle Wandersaison vorbereitet?
Susanne Baumann: Oh, ich zähle die Tage nicht, aber ich bin tatsächlich wann immer ich kann in den Bergen. Ich wohne am Fuss des Gantrischgebirges und bin dort oft auf einsamen Pfaden unterwegs. Im Winter gehe ich auf Skitouren, in der Übergangszeit klettere und bike ich. Trotzdem spüre ich nach der ersten Wanderung im Frühsommer immer den Muskelkater vom bergabwärts gehen.
Wie gross ist eigentlich das Verletzungsrisiko beim Bergwandern?
Das Verletzungs- und Sterberisiko beim Bergwandern ist im Vergleich zu anderen Sportarten tatsächlich eher tief. Und dennoch kommen jedes Jahr durchschnittlich 55 Personen ums Leben. Wir verzeichnen zwar beim Bergwandern am meisten Tote im Vergleich zu der Ausübung anderer Sportarten, doch ein Grossteil der Schweizer Bevölkerung wandert gerne, weshalb viele Leute in den Bergen unterwegs sind.
Was der BFU jedoch Sorgen bereitet ist, dass keine andere Sportart eine so starke Zunahme an Schwerverletzten aufweist wie das Bergwandern und Wandern. Es sind +48 % mehr als vor 10 Jahren.
Welche Verletzungen sind am häufigsten?
Mit fast 40 % sind die Unterschenkel- und Sprunggelenkverletzungen die häufigsten Verletzungen. Dabei handelt es sich in erster Linie um Knochenbrüche sowie um Bänder- oder Muskelverletzungen (Zerrungen oder Risse). Dazu kommen Verletzungen an Knien, Schultern, Oberarmen und Händen.
Die häufigste Unfallursache ist der Sturz (Stolpern, Ausrutschen). Ein Sturz an einer exponierten Stelle, wie sie auf den weiss-rot-weiss markierten Bergwanderwegen vorkommen können, kann fatale Folgen haben.
Was sind die häufigsten Fehler oder Fehleinschätzungen, die zu Unfällen führen?
Laut Umfragen weiss über ein Drittel der Wandernden nicht, dass die Bergwanderwege exponierte Stellen mit entsprechender Absturzgefahr enthalten können. Viele Wandernde überschätzen entweder sich selbst oder unterschätzen den Weg. Und manchmal wird auch das Können von Begleitpersonen nicht richtig eingeschätzt. Die gewählte Route muss jeweils für die gesamte Wandergruppe bewältigbar sein. Hinzu kommt, dass das Wetter in den Bergen anders ist als unten im Flachland und extrem schnell wechseln kann. So kann es bis in den Sommer hinein oben in den Bergen Schneefelder auf den Wanderwegen haben. Die sollte man nur mit der nötigen Erfahrung und entsprechender Ausrüstung begehen. Und im Zweifelsfalle besser umkehren – gerne macht das niemand.

Diesen Sommer ist die BFU wieder mit ihrer Kampagne zum Thema «Sicher Bergwandern» präsent. Was ist das Ziel der Kampagne?
Wandernde müssen wissen, dass weiss-rot-weiss markierte Bergwanderwege erhöhte Anforderungen stellen. Zudem zeigen wir auf, wie wichtig eine gute Vorbereitung ist, um beim Bergwandern sicher unterwegs zu sein. Zu einer guten Planung gehört, dass die gewählte Route zum Können der Wandergruppe passt. Wer Bergwandern will, sollte trittsicher, schwindelfrei und fit genug sein, um die gesamte Strecke samt den zu überwindenden Höhenmetern bewältigen zu können.
Auf sicher-bergwandern.ch gibt es einen einfachen Selbsttest zur Selbsteinschätzung. Die Schweizer Wanderwege unterstützen die Kampagne als Fachpartnerin.
Nicht nur die Wandernden selbst gehören zur Zielgruppe der Kampagne, sondern oft auch generell Gäste von Seilbahnen. Wie können also Seilbahnunternehmen und deren Mitarbeitende zur Wirkung der Kampagne beitragen?
Die Kampagne teilen und die Wandernden über die Herausforderungen beim Bergwandern informieren. So ist es sehr hilfreich, wenn auf eigenen Wanderkarten die Schwierigkeiten und Voraussetzungen angegeben sind und die offiziellen Wegkategorien erläutert werden. Zudem können die Seilbahnen auf spezifische Gefahren im Gebiet hinweisen.
Wanderkarten auf den Websites der Seilbahnunternehmen sollten zeigen, welche Wege offen oder noch geschlossen sind. Klare Signalisationen (Wegsperrungen) schaffen zusätzliche Sicherheit. Die Beratungsstelle Sicherheit von SBS oder die Schweizer Wanderwege helfen, wenn man nicht sicher ist, wie man sperren oder kommunizieren sollte.
Viele Seilbahnmitarbeitende sind in direktem Kontakt mit den Gästen. Welche präventiven Botschaften wären aus Ihrer Sicht besonders wichtig?
Sie können Wandernde vor Ort z. B. auf ungeeignete Ausrüstung hinweisen und sie darauf aufmerksam machen, wie man sich beim Wandern richtig verhält. Dazu gehört immer wieder die Botschaft: Plane deine Tour sorgfältig und überschätze dich und deine Mitwandernden nicht.
Ein Seilbahnunternehmen hat mir erzählt, dass sie die Gäste bitten, sich aus dem Freien ins Gebäude zu begeben, wenn ein Gewitter heranzieht. Es ist leider Tatsache, dass gewisse Gäste wenig Gefahrenbewusstsein mitbringen und solche Massnahmen sinnvoll sein können. Manche Gäste sind beratungsresistent, doch viele Menschen sind dankbar dafür, dass sie gut beraten werden und man sie auf Gefahren aufmerksam macht.
Wo sehen Sie das grösste Potential für eine erfolgreiche Zusammenarbeit zwischen der BFU, SBS und den Seilbahnunternehmen?
Alle drei Partner weisen konsequent auf die Risiken des Bergwanderns hin. Die Seilbahnunternehmen erreichen viele Wandergäste. Die BFU ist oft im Austausch mit Romano Pajarola, dem Verantwortlichen für die Beratungsstelle Sicherheit von SBS. In den letzten Jahren hat sich gerade im Bereich der Sommeraktivitäten ein solides Sicherheitsdenken bei den Seilbahnunternehmen etabliert. Der Sommer wird in Zukunft wichtiger werden und die Gefahren verändern sich. Deshalb ist es gut, dass wir wachsam bleiben und sinnvolle, neue Massnahmen zusammen ausarbeiten.
Die BFU bietet viele Beratungsangebot an, beispielsweise für sichere Spielplätze, Badeseen, etc. Die Seilbahnunternehmen können diese Angebote nutzen und tun dies auch oft. So wird Schritt für Schritt die Sicherheit für die Gäste verbessert.
Letztlich verfolgen die BFU und SBS Ziele, die sich wunderbar ergänzen. Die SBU wollen schöne Erlebnisse ohne Zwischenfälle schaffen – die BFU will Unfälle verhindern.
Was ist unter dem Strich das Wichtigste beim Wandern?
Ehrlich zu sich selber sein – vor und während der Wanderung: Was kann ich? Wie bin ich ausgerüstet? Habe ich alles dabei? Wie fühle ich mich heute? Wie fit ist meine Begleitung? Wer die eigenen Grenzen kennt und vor allem respektiert, senkt das Risiko zu verunfallen stark. Dazu gehört nötigenfalls umzukehren oder eine Alternativroute zu wählen.
Wenn Sie sich etwas wünschen könnten: Was wäre Ihr Wunsch an die Seilbahnunternehmen in diesem Sommer?
Dass sie die Bergwanderkampagne der BFU breit kommunizieren. Informationen zur sorgfältigen Planung und richtigen Ausrüstung helfen, dass Wandernde gut vorbereitet losziehen. Zudem sind Hinweise zur Trittsicherheit, Schwindelfreiheit und Angaben, wie gross die Anforderungen an die Fitness sind, hilfreich, um eine Wanderung und sich selbst richtig einzuschätzen.
Da Seilbahnen viele Gäste online erreichen, sind auf ihren Kanälen Informationen zu den aktuellen Bedingungen wie Wetter, Schneeverhältnisse oder allfällige Sperrungen hilfreich. Durch die Unterstützung der Unfallprävention helfen die Seilbahnen das Risikobewusstsein zu verbessern, was Unfälle verhindert. Deshalb ist die konsequente Umsetzung der Verkehrssicherungspflicht von SBS so wichtig.
