
Die Sportbahnen Atzmännig AG hat den Verein «Atzmännig Kultur» gegründet und bietet seit Mai 2024 jeden Mittwochnachmittag ein vielfältiges Programm für Familien an. Wie und warum sich die Bahn kulturell engagiert, hat uns Roger Meier, Geschäftsführer der Sportbahnen Atzmännig AG erzählt.
Was genau setzt ihr mit dem Kulturverein um?
Der Verein «Atzmännig Kultur», zu dessen Gründungmitgliedern wir gehören, bietet jeden Mittwochnachmittag von Mai bis Oktober ein Programm für Familien an. Dieses ist sehr vielfältig aufgestellt und beinhaltet vor allem Kleinkunst: Jonglage, Puppentheater, Kinderlieder, Zauberei. Die meisten der Künstler:innen sind regional, manche auch national bekannt.
Wieso habt ihr euch für einen Verein entschieden?
Wir sind ein klassisches Ausflugsziel und bei vielen als Schönwetterdestination im Kopf. Insbesondere der Mittwochnachmittag hat sich in den letzten Jahren verändert. Früher verbrachten Familien den schulfreien Nachmittag bei uns, heute sind viele Kinder im Hort, bei den Grosseltern, oder in Vereinen aktiv. Wir wollten ein Angebot schaffen, das wetterunabhängig für die regionale Bevölkerung attraktiv ist.
Als Bahn können wir die Infrastruktur zur Verfügung stellen und die Kommunikation übernehmen, inhaltlich jedoch nicht mithalten. Deshalb haben wir Unterstützung gesucht und in Lea Anderegg und Kristi Trafelet gefunden. Sie sind schon lange kulturell engagiert und waren von der Idee begeistert. Mit ihnen haben wir den Verein «Atzmännig Kultur» gegründet. Lea hat der Kultur-Location das Leben eingehaucht. Kristi ist als künstlerischer Leiter für die Programmierung verantwortlich und empfängt als Alleskönner mit Talenten im Theaterspielen, Singen und vielem mehr als Gastgeber das Publikum.
Wie lief die Umsetzung des Kulturprojektes ab?
Das ging alles recht schnell: Die Entscheidung zur Umsetzung haben wir im September 2023 gefällt, am 1. Mai 2024 fand die erste Veranstaltung statt.
Zuerst wollten wir eine alte Scheune nutzen. Diese umzubauen wäre jedoch sehr kompliziert und teuer geworden, einerseits wegen der Auflagen aufgrund der Zweckentfremdung, andererseits wegen feuerpolizeilicher Auflagen. Daher haben wir uns entschieden, auf unserem Gelände mit temporär installierten Anlagen zu arbeiten und unter anderem ein Doppel-Tipi aufzustellen.
Und wie waren die Erfahrungen im ersten Jahr?
Unser Ziel war durchschnittlich 50 Besuchende pro Veranstaltung, das haben wir mit 1496 Personen auf 30 Vorstellungen erreicht. Wir setzen auf ein hochwertiges Angebot: klein, aber fein. Wir investierten in gute Ton- und Lichtqualität und in die Kleinbühne. Zudem stellen wir eine Künster:innengarderobe und für die Gäste ein Kompotoi zur Verfügung sowie Feuerschalen für eigenes Grillieren. Wir können aber auch ein kleines kulinarisches Angebot anbieten. Unsere Gäste geniessen vor und nach den Vorstellungen die Landschaft und das Ambiente. Sie sind begeistert und reisen teilweise auch aus einem grösseren Einzugsgebiet an, manche kommen sogar von Zug zu uns.
Wir sind zufrieden und sehen, dass unser Angebot langsam die Runde macht. Natürlich haben wir noch viel Luft nach oben bei der Bekanntheit, was nach einem Jahr zu erwarten war.
Was plant ihr für die kommenden Jahre?
Das Mittwochsprogramm machen wir auch dieses Jahr. Allerdings starten wir zwei Wochen später und hören zwei Wochen früher auf. Dies kompensieren wir mit vier zusätzlichen Events, mit denen wir auf das Feedback vieler Eltern reagieren. Sie wünschten sich ein Angebot für Erwachsene am Samstagabend. Deshalb bieten wir diese Saison an vier Samstagen ein Kinderprogramm am Nachmittag und ein Erwachsenenprogramm mit Singer-Songwriter-Auftritten am Abend. Kinder dürfen abends auch mitkommen, allerdings empfehlen wir eine Teilnahme erst ab 12 Jahren.
Zudem setzen wir weiterhin auf humane Eintrittspreise, die wir dank der grosszügigen Unterstützung des Amts für Kultur des Kantons St. Gallen, der Ernst Göhner Stiftung, der regionalen KulturZürichseeLinth, diversen Sponsoren sowie der Familie unseres Hauptaktionärs anbieten können. Ihnen allen gilt ein besonderes Danke für die Beiträge an die Infrastruktur und an die Veranstaltungen.
Gab oder gibt es auch Herausforderungen?
Mit der Baubewilligung ist es nicht ganz einfach. Der Kanton St.Gallen kennt Fahrnisbaute nur für 3 Monate. Unsere Anlage steht aber für 6 Monate und braucht daher eine Baubewilligung: Die Gemeinde ist zuständig für diese. Obwohl in der Zone ÖBA (öffentliche Baute, was gemäss dem kantonalen Baugesetz klar eine Bauzone ist) und wir die dafür erforderlichen Bedingungen (1. Baute muss einem grundlegenden öffentlichen Interesse zugutekommen und 2. sind untergeordnete private Nutzungen zulässig) erfüllen, ist es aktuell sehr schwierig eine dauerhafte saisonale Bewilligung zu erlangen. Es werden Befürchtungen kundgetan, dass wir als Sportbahnen durch den Verein unseren Gewinn schmälern wollen. Unser Hauptziel, der nahen Bevölkerung und unseren Gästen ein wetterunabhängiges, tolles Kulturprogramm anzubieten, welches grossenteils durch uns mitfanziert wird, wird meiner Meinung nach aus den Augen verloren.
Unser Ziel ist eine dauerhafte saisonale Baubewilligung, damit wir von Mai bis Oktober das Angebot aufrechterhalten können. Dafür müssen wir im April mit dem Aufbau starten und wir brauchen bis Ende November für die Abbauarbeiten. Wir sind mit der Gemeinde im Gespräch und hoffen, dass sie den Mehrwert unseres Angebots für die Bevölkerung sieht.
Ein Kulturangebot in so kurzer Zeit auf die Beine zu stellen, braucht viel Engagement und ist oft für alle Beteiligten eine lehrreiche Erfahrung. Welche spannenden Geschichten habt ihr erlebt und welche überraschenden Erkenntnisse durftet ihr gewinnen?
Die kurze Frist zwischen dem Entscheid und der ersten Show war motivierend und verlangte viele Bauchentscheide und Vertrauen. Natürlich gab es auch Faktoren, die wir nicht auf dem Plan hatten, z.B. den ersten Regentag mit Sturm. Das Zelt ist zwar auf bis zu 180 km/h Windgeschwindigkeit ausgelegt und hielt dem Wetter stand. Aber wir hatten nicht mitgedacht, wo das Wasser runterlaufen würde. Der Naturplatz unter dem Zelt wurde sehr matschig. Zum Glück ist das während des Aufbaus passiert und wir konnten noch vor der Premiere reagieren. Mit Kies und einem künstlichen Ablauf wird nun das Wasser bei Regenwetter weggeleitet – dafür durften zwei Mitarbeitende während drei Tagen Kies statt Schnee schaufeln (lacht).
Ausserdem war es ein Herantasten, wie viel Personal wir brauchten. Anfangs hatten wir dieses etwas überproportioniert. Im Verlauf der Saison haben wir die Anzahl reduziert. Kultur darf auch mal ursprünglich sein und unsere Gäste haben Verständnis, dass sie manchmal kurz warten müssen.
Apropos Personal: wie organisiert ihr dieses?
Wir haben den künstlerischen Leiter der Einfachheit halber bei den Sportbahnen angestellt. Auch weitere unterstützende Personen im Stundenlohn sind bei der Bahn angestellt. Damit machen wir eine Art Personalverleih. Wenn der Verein Geld erwirtschaftet, würde er eine Teilentschädigung an die Bahnen zurückzahlen. Dies war jedoch im ersten Jahr unmöglich.
Womit wir beim Thema Wirtschaft wären: wie steht das Projekt wirtschaftlich da und was bringt es euch als Sportbahnen?
Der Aufwand lag bei ca. 180'000 Franken und über die ganze Saison haben wir 100'000 Franken Einnahmen generiert. Die Sportbahnen haben dabei die Defizitgarantie übernommen. Für uns war es also ein finanzieller Aufwand, ist aber dennoch ein Gewinn. Auch wenn 50 Personen vor Ort nicht viel ist, konnten wir den Mittwochnachmittag etwas aktivieren. Manche Besuchende kommen schon zum Mittagessen und nutzen unsere Freizeitattraktivitäten wie die Trampolinanlagen. Ausserdem erreichen wir mit dem Kulturpublikum ein für uns neues Publikum, was allerdings schwer messbar ist. Ebenfalls wertvoll ist das kommunikative Potential des Projekts und die Medienberichte. Vielleicht führen diese auch bei manchen zu einer Image-Änderung und sie sehen die Sportbahnen nicht mehr ausschliesslich als profitorientiertes Unternehmen.
Wie geht es weiter?
Das wird langfristig von den Bewilligungen abhängen. Wir geben uns bei neuen Angeboten meist drei bis vier Jahre Test-Zeit. Unser Ziel war immer, das Programm mindestens drei Jahre anzubieten und weiter auszubauen. Ideen sind vorhanden, z.B. könnten wir uns eine Waldbühne vorstellen oder auch die Vermietung der Location für gewisse Veranstaltungen. Bereits heute beherbergen wir mit unserer Gastronomie Hochzeiten oder Geburtstage, neu können wir die Zeremonie oder auch den Apero auf dem Kulturgelände anbieten.
Möchtest du weitere Engagements erwähnen?
Kulturell bieten wir auch Töfflitouren an und organisieren in diesem Rahmen vielfältige Packages, bei denen die Teilnehmenden die Region erkunden und z.B. Führungen besuchen können. Dies bietet auch unseren Partnerbetrieben einen Mehrwert. Allgemein unterstützen wir so viel wie möglich Vereine und Institutionen vor Ort, meistens mit Sachpreisen, z.B. für Tombolas. Bei 800 bis 1200 Anfragen pro Jahr kommen so auch 40’000 bis 50'000 Franken pro Jahr zusammen. Uns ist dieser Beitrag wichtig, auch um Vereine am Leben zu halten.
Mit unserem Generationenprojekt ist zudem die Erneuerung der Bahn geplant. Wir haben dafür einen Grundsatzentscheid getroffen und beziehen von regionalen Anbietern, um unseren Beitrag zur Standortförderung zu leisten. Dabei dürfen die regionalen Angebote bis zu 10 % teurer sein als jene der ausserregionalen Konkurrenz. Auch bei der Mitarbeitendenrekrutierung haben regionale Bewerber:innen den Vorrang. Aktuell sind über 70 % in der Standortgemeinde wohnhaft, über 80 % im Kanton. Dies ist auch für uns ein Vorteil, denn sie kennen sich gut aus und es gibt selten Probleme, wenn wir kurzfristig öffnen oder schliessen müssen.
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