
Die Monte Tamaro SA ersetzt 2024/25 ihre Bahn. Obwohl die Umlaufbahn nicht dem Behindertengleichstellungsgesetz BehiG unterstellt ist, nimmt das Unternehmen den Neubau zum Anlass, die gesamten Anlagen barrierefrei zu gestalten und sein Angebot für Personen mit eingeschränkter Mobilität zu erweitern.
Neue Bahn, neue Chancen
Die Gondelbahn auf den Monte Tamaro wird 2024/2025 durch eine neue Anlage ersetzt. Die Grundstruktur der Bahn war über 50 Jahre alt, die Gondeln waren über 30 Jahre im Betrieb. Die alten Gondeln waren für normale Rollstühle schon recht eng, Elektrorollstühle passten gar nicht in die Kabinen. Mit der neuen Bahn zeigten sich die Möglichkeiten, dies zu ändern, wie Stephan Römer, Verantwortlicher Marketing und Sales erzählt.
In der neuen Bahn, die im Spätsommer 2025 eröffnet wird, gibt es so gut wie keine Hürden mehr für Personen im Rollstuhl.
Barrierefreiheit für Gäste auf allen Etappen
Die Talstation ist ohne Treppen vom Parkplatz aus erreichbar, die Toiletten sind barrierefrei und neben dem Drehkreuz gibt es ein Tor, bei dem der Ticket-Scanner auf einer für Personen im Rollstuhl gut erreichbaren Höhe angebracht ist. Da die Gondeln sehr langsam durch die Station fahren, ist für alle genug Zeit zum Ein- und Aussteigen. Zudem können die Gondeln jederzeit vom Personal weiter verlangsamt oder zum Stillstand gebracht werden.
In der Mittelstation ist der Weg zur Buvette und zum Seilpark flach, und der Waldboden im Seilpark soll künftig ebenfalls befahrbar sein. Damit können Personen im Rollstuhl ihre Liebsten vom Boden aus beobachten und anfeuern, wenn diese sich auf den Kletterinstallationen austoben.
Von der Bergstation führen künftig drei Wege zum Restaurant: eine Treppe, ein Lift sowie ein Weg. Letzterer führt zudem zur Rodelbahn und zur Zipline. Der Weg ist zwar flach, entspricht aber nicht der Norm für Rollstühle. Der Lift wird von Mitarbeitenden bedient und steht nur Personen zur Verfügung, die darauf angewiesen sind. Zugang ins Restaurant bietet wie bis anhin eine Rampe.
Römer sagt, man habe aus der Vergangenheit gelernt, als das Angebot für Menschen mit Behinderung noch klein war. Bereits damals habe man die Dankbarkeit der Gäste gespürt. Es sei daher umso erfreulicher, dass die Bahn das Beste aus dem Umbau herausholen konnte.
Damit verbessert sich auch der Zugang zur Kirche und zum Kulturangebot für ältere Personen, denn die oberen Flügel der Kirche und der Weg zur Kapelle sind ebenfalls rollstuhlgängig. Und auch für Familien mit Kleinkindern wird der Weg auf den Monte Tamaro einfacher, wobei diese es laut Römer oft bevorzugen, den Kinderwagen in der Talstation zu deponieren, damit die Kinder sich unterwegs auch mal bewegen.
Nicht nur Zugang, sondern besondere Angebote für Menschen mit Behinderung
Die Monte Tamaro AG geht aber noch weiter, als nur ihre Anlagen für alle zugänglich zu gestalten. Sie bietet auch einzigartige Erlebnisse für Menschen mit Beeinträchtigung. So hat sie bereits 2022 mit Unterstützung der Stiftung Cerebral einen geländegängigen Elektrorollstuhl angeschafft, den sie seither vermietet. Mit dem Ausbau ist damit künftig ein Rundweg befahrbar, für den die Gäste ungefähr 50 Minuten brauchen werden. Dies wird mit dem “JST Multidrive” Rollstuhl gut machbar sein. Zusätzlich zum Rundweg wird es künftig auch möglich sein, mit dem Rollstuhl bis zur Mittel- und Talstation zu fahren. Laut Römer sei die Anschaffung eines zweiten Mietrollstuhls nicht ausgeschlossen, das Angebot müsse sich jedoch zuerst etablieren. Zwar gehe es bei der Vermietung nicht um Gewinn, aber es wäre schade, wenn die kostspielig angeschafften Rollstühle ungenutzt herumstünden. Aufgrund des durch den Umbau erweiterten Angebotes empfiehlt Römer zudem, den Elektrorollstuhl künftig im Voraus zu reservieren.
Neben der Rollstuhlvermietung organisiert das Unternehmen seit 2024 auch Tage für Menschen mit Behinderung im Seilpark. Das Angebot richtet sich z.B. an Menschen mit Autismus, eingeschränkten Seh- oder Hörfähigkeiten oder Menschen mit Downsyndrom (dann unterstützt durch die Stiftung Cerebral). An solchen Tagen ist der Seilpark ausschliesslich für diese Gruppen geöffnet, da sie mehr Betreuung benötigen. In der Regel wird dann die Eins-zu-Eins-Betreuung von jeweils einer:em Instruktor:in pro Person angeboten. Laut Römer habe man 2024 sehr gute Erfahrungen gemacht und viel positives Feedback von den Beteiligten erhalten.
Auch das Personal profitiert
Mit dem Umbau wird die Talstation auch in den Bürobereichen voll rollstuhlzugänglich, damit die Monte Tamaro SA künftig auch Personen mit Behinderung einstellen kann. Momentan ist aufgrund des laufenden Baubetriebs noch nicht klar, wann neue Arbeitsverhältnisse beginnen können. Das Unternehmen ist jedoch in Kontakt mit Organisationen, die sie bei der Suche nach geeignetem Personal unterstützen werden. Künftig sollen Personen mit Behinderung das bestehende Team im Front- und Back-Office unterstützen.
Auch das bestehende Personal ist gut vorbereitet. So gab es in der Vergangenheit bereits Kurse für einfache Zeichensprache, um den Austausch mit Gehörlosen zu erleichtern. Auch der Besuch von Menschen mit Sehbehinderung sei laut Römer unkompliziert, wobei diese meistens in Begleitung kämen. Dies sei auch notwendig, denn auf dem Berg können nicht überall Leitplanken angebracht werden und es könnte eine grosse Herausforderung darstellen, sich als Blinde:r ganz allein in der Umgebung zu orientieren. Das Personal sei jedoch geschult und unterstütze die Besuchenden gerne im Rahmen des Möglichen.
«Wenn man sowieso grosse Investitionen plant, ist es ein kleiner Weg, zu schauen, dass man nachher alle empfangen kann.» Stefan Römer, Verantwortlicher Marketing und Sales
Kein Grossprojekt ohne Hürden
Die Neugestaltung der Bahn und des Gebiets wird durch die Bahn selbst finanziert. Einzig der rollstuhlgängige Rundweg wird durch die Stiftung Cerebral unterstützt. Öffentliche Gelder fliessen keine in das Projekt.
Wie bei jedem Grossprojekt gab es auch hier einige Herausforderungen, welche jedoch nicht mit dem Ausbau der Barrierefreiheit zu tun hatten. Römer erzählt von einem schneereichen Winter während der Bauzeit sowie gewissen Hürden bei den Bewilligungen. Insbesondere sei es schwierig gewesen, Bewilligungen für den Ausbau des Wintergeschäfts zu erhalten. Der Kanton fördere zwar die Saisonunabhängigkeit, jedoch eher in Richtung mehr Sommerangebote von Winterdestinationen als umgekehrt.
Weitere Errungenschaften durch den Neubau
Bei der Planung wurde sehr auf die Integration in die Natur geachtet. So hat die neue Bahn zehn Stützen weniger als die alte, 19 statt 29 Stück. Zudem wurde die Bergstation etwas tiefer gelegt und das Bergbahndach begrünt, um die Anlagen optisch besser in die Landschaft zu integrieren. Das Dach kann künftig auch als Aussichtsplattform betreten werden. Auch ist das Volumen der Mittelstation kleiner, da es neu nur noch einen Antrieb statt zwei gibt. Dieser wurde zudem unterirdisch gebaut, was auch die Lärmemissionen senkt. So ist neu alle Technik in der Bergstation und die Mittelstation kann geschlossen werden, wenn sie nicht gebraucht wird. Da die Gondeln neu in der Talstation unterhalten werden, konnte auch die Bergstation verkleinert werden. Zudem werden die Baustelle sowie die Standorte der nicht mehr vorhandenen Stützen renaturiert.
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